Software-Agenten als menschliche Vertreter

Unter Software-Agenten versteht man Computerprogramme, die zu einem gewissen eigenständigen und eigendynamischem (autonomen) „Verhalten“ fähig sind. Technisch und juristisch  entscheidend ist, dass ein bestimmter Verarbeitungsvorgang abläuft, ohne dass mittels einer neuerlichen Eingabe durch den Benutzer ein Startsignal gegeben würde oder auch während des Vorgangs ein äußerer Steuerungseingriff erfolgen würde.

Die Forschungsarbeiten im Bereich der Künstlichen Intelligenz haben gezeigt, dass Software dann als Agent einzustufen ist, wenn sie alle der folgenden Eigenschaften besitzt:

  • Autonomie: Das Programm arbeitet unabhängig von Eingriffen der Benutzer
  • Proaktivität: Das Programm führt aufgrund eigener Initiative Aktionen aus
  • Reaktivität: Das Programm reagiert auf Äußerungen der Umgebung
  • Robustheit: Das Programm kompensiert äußere und innere Störungen von selbst
  • Kognitivität: Das Programm ändert aufgrund der eigenen Zustände und der Zustände seiner Umgebung seine eigenen Einstellungen
  • Kognitivität: Das Programm ist lernfähig, es lernt aufgrund zuvor getätigter Entscheidungen und Beobachtungen
  • Sozialität:  Das Programm kommuniziert mit anderen Agenten

Software-Agenten im E-Commerce

Eine häufige Erscheinungsform von Software-Agenten im E-Commere sind Programme, die das Internet für ihren Benutzer nach Informationen durchforsten oder Preise für Waren aushandeln. In Folge werden intelligente Agenten vor allem als Unterhändler bei der Abwicklung von Geschäften eingesetzt und fungieren als Selling Agents (Händler) oder Shopping Agents (Käufer).

Software-Agenten, die menschliche Entscheidungskompetenz im Wirtschaftsleben unterstützen, werden auch als digitale Geschäftsagenten bezeichnet.

Software-Agenten im Recht

Software-Agenten spielen auch für die juristische Praxis eine Rolle. Ein für Juristen interessantes Beispiel stellt der automatisierte Vertragsabschluss mittels Software-Agenten dar. Der Schwerpunkt liegt auf der elektronischen Rechtsberatung unter Zuhilfenahme eines Rechtsmediators und auf der Umsetzung eines detaillierten Vertragsverhandlungsablaufes.

Innerhalb des Verhandlungsprozesses agieren zwei Vertragsagenten (Software-Agenten) und mindestens zwei Rechtsmediatoren (Software-Agenten).

Bei diesen Vertragsverhandlungen kommt es zu einem komplexen, offenen Workflow, bei dem es um die Verhandlung von Benutzerpräferenzen geht. Die Bestandteile des Vertrages werden in einem „Vertragscontainer“ gespeichert, das Verhandlungsergebnis wird als veränderte Annahme ebenfalls gespeichert und vom Rechtsmediator geprüft.

Das Ergebnis wird signiert, damit dem Dokument Beweiskraft zukommt. Die Rechtsmediatoren absolvieren fest vorgeschriebene Prüfschritte. Der Workflow ist beendet, wenn entweder der Vertrag zustande kommt, der Vertragsentwurf abgelehnt wird, oder der Verhandlungsprozess abgebrochen wird.

(Vgl Dietrich, Verträge im Netz: Agentenverhandlungen beim elektronischen Vertragsabschluss, in Schweighofer/Geist/Staufer (Hrsg), Globale Sicherheit und proaktiver Staat – Die Rolle der Rechtsinformatik, Salzburg 2010.)

Abb.: Ronald Preuß/gemeinfrei
Kraftwerk während eines Live-Auftritts im VW-Kraftwerk Wolfsburg (2009)

 

Diese Verhandlungssysteme für automatisierte Verhandlungen bestehen sohin aus Software-Agenten, die generische Angebots- und Konzessionsstrategien verfolgen, sowie aus Interaktionsprotokollen, die es diesen Agenten erlauben, ihre Strategien vorübergehend und permanent auszusetzen. Dabei werden Übereinkunftshäufigkeit, Fairness, individuelle und kollektive Effizienz als ausschlaggebend erachtet.

Auf diese Weise können Verträge (im Internet) erstellt werden. Das Ziel ist der vollautomatisierte Vertragsabschluss, dem eine persönliche Beratung durch einen elektronischen Rechtsanwalt, genannt „Rechtsmediator“ vorangeht. (Büttner, Automatisierte Verhandlungen in Mulit-Agenten-Systemen. Gabler-Verlag, Wiesbaden 2010.)

Agenten als Vertreter am Energiemarkt

Wie das praktisch funktioniert, kann anhand des Projektes „sesam“ – „Selbstorganisation und Spontaneität in liberalisierten und harmonisierten Märkten“ (Karlsruhe Institute of Technology) demonstriert werden, wobei hier insbesondere auf den smarter werdenden Energiemarkt fokussiert wird. Die Anwendung der Software-Agenten ist auf den autonomen Abschluss von Stromverträgen gerichtet.

Die Software-Agenten im Projekt sesam agieren als Vertreter des menschlichen Benutzers. Der Benutzer kann – etwa am Beispiel des Energievertrages – als Käufer oder Verkäufer auftreten. Der Rechtsmediator agiert als eine Art „persönlicher Anwalt“ des Anbieters. Im Auftrag des Agenten werden Angebote vom Rechtsmediator durch die fortwährende Überprüfung nach rechtlichen Gesichtspunkten analysiert.

These

Das Projekt „Selbstorganisation und Spontaneität in liberalisierten und harmonisierten Märkten“ baut auf der These auf, dass das Internet selbstorganisierende Netze und spontane Aktivitäten von Marktteilnehmern fördert und damit einen wesentlichen Beitrag zur Liberalisierung und Globalisierung und mithin zur Harmonisierung leisten kann.

Als Vorteil des Einsatzes von Software-Agenten wird also die erhöhte Effizienz, ein besserer Profit sowie der Wettbewerbsvorteil gegenüber jenen angesehen, die auf entsprechende Technologien verzichten. Es kann erwartet werden, dass sich die Fähigkeiten der Agenten auch weiterhin vervielfachen werden. Im Gegenzug wird auf datenschutzrechtliche Fragen besonders zu achten sein.

Abb.: Ronald Preuß/gemeinfrei

 

© UBIFACTS/2013