Ubiquitous Human Computing

Nun leben wir also in einer Welt, in der Computer unser Leben umfassend unterstützen. Schleichend besetzen Algorithmen immer mehr Territorien. Und schleichend passiert etwas, das wir beinahe übersehen könnten: Computer sagen uns, was wir für sie tun können.

Immer mehr Prozesse des täglichen Lebens sind automatisiert. Aber nicht alle Aufgaben können Computer besser lösen als Menschen. In manchen Fällen ist es für Computer effizienter, wenn Menschen ihnen bei ihren Aufgaben helfen. Das klingt zunächst befreiend, denn wir sagen: „Na, da haben wir endlich etwas, wo eine Maschine uns nicht ersetzen kann, oder?“

Aber was steckt dahinter?

Amazons Mechanical Turk

Amazons Mechanical Turk  ist ein sogenannter Crowdsourcing Internet Marketplace, der es ermöglicht, Einzelpersonen oder Unternehmen miteinander zu koordinieren, und zwar so, dass Menschen Computern dort helfen, wo Computer überfordert sind.

Die Idee dahinter: maschinenerzeugte Intelligenz soll von programmgesteuerten Rechnern um das von Menschen gehandhabte Wissen ergänzt werden. Was wir hier erkennen, ist eine Umdrehung: Nicht der Mensch erteilt den Arbeitsauftrag an die Maschine, sondern die Maschine an den Menschen.

Der Computer gibt dem Menschen eine Arbeit vor, die dieser für Geld abarbeitet. Diese damit geschaffenen Wissenseinheiten nennen sich „HTS“ Human Intelligence Tasks. Die werden organisiert und abgespeichert und dienen als Grundlage für eine Datenbank, aus der komplexere Fragen dann irgendwann automatisch beantwortet werden können.

Wie funktioniert Amazons Mechanical Turk?

Schritt 1: Der angemeldete Nutzer sucht sich eine Frage aus und wird Bearbeiter.

Schritt 2: Der Aufgabensteller legt den Betrag fest, der Bearbeiter akzeptiert den Betrag per Mausklick.

Schritt 3: Nach Erledigung wird die Bearbeitung bestätigt und der vereinbarte Betrag auf ein Konto gutgeschrieben.

Abb.: Wikipedia/gemeinfrei
Zeitgenössischer Kupferstich des von Wolfgang von Kempelen konstruierten „Türkischen Schachspielers“. 1783

Der Begriff Mechanical Turk ist aus dem historischen Kontext gegriffen und bezieht sich auf den sogenannten Schach-Türken, einen Schachroboter aus dem Jahr 1769, der von dem österreichisch-ungarischen Hofbeamten Wolfgang von Kempelen konstruiert wurde. Der Zuschauer hatte den Eindruck, das Gerät würde eigenständig Schach spielen (in Wahrheit war darin aber ein menschlicher Schachspieler versteckt, der die Maschine bediente).

Ubiquitous Human Computing

Aber auch andere Unternehmen arbeiten bereits mit Ubiquitous Human Computing Modellen. So werden etwa Kundenprojekte größerer Unternehmen, in denen menschliche Kreativität benötigt wird, in viele kleine Einzelobjekte aufgeteilt und über den Globus verteilt und gegen Bezahlung erledigt.

Work Hub ein Berliner Start-Up geht ähnlich vor. Der Slogan lautet:

Use cloud working to get a year’s work done in a day.

Zu den momentan verfügbaren Aufgaben zählt:

  • Korrigieren von Texten
  • Beschreiben des Inhalts von Bildern
  • Zählen von Objekten auf Bildern
  • Auswählen von Bildern
  • Bewertung bestimmter Inhalte

Für erledigte Aufgaben bekommt man WorkHubCredits (1 Credit = 0,01 Euro). Ist die Arbeit erledigt, werden die Aufgaben überprüft und weiter verwertet. Ausgezehalt wird ab 0, 50 Euro. Abgewickelt über PayPal.

Auf mobile Anwendungen hat sich Mobenzi Intelligence spezialisiert.

Wissenschaftliche Analyse

Eine wissenschaftliche Analyse zum Ubiqutous Human Computing  wurde vom US-amerikanischen Internetrechtspezialisten Jonathan Zittrain publiziert. Zittrain thematisiert insbesondere das Phänomen der „Distributed Human Sensors“. Der Autor zieht dabei den Vergleich zwischen den Sensornetzwerken der RFID-Technologie (das bekanntlich der automatischen Identifizierung von Objekten dient) und menschlichen Sensoren. Er thematisiert zudem die ethische Dimension beim Verkauf des menschlichen Geistes. Minds for Sale.

Fazit

Amazons Mechanical Turk sagt uns, was uns als nächstes erwartet. Nun können wir per Mausklick nicht nur Bücher, Schuhe und Kinderspielzeug kaufen, sondern eben auch mal schnell die Dienstleistung eines menschlichen Kollektivs.

Was dabei sichtbar wird: Es wird immer mehr Menschen geben, die in sogenannten Crowdsourcing Jobs tätig sind und nicht mehr Arbeiter sondern Bearbeiter genannt werden. Leute in menschlichen Clustern, die ihre Anweisungen von Computern bekommen und sich arbeitsrechtlich betrachtet nicht organisieren können, weil sie über den Globus verteilt sind und gar nicht wissen, wer ihre Kollegen sind.

 

Abb.: Ubifacts

© UBIFACTS/2014